Die Zehntscheune
Wann die Zehntscheune gebaut, oder auf welchen Grundmauern sie errichtet worden ist, beschäftigt noch heute Bauhistoriker. Nicht belegt aber möglich ist die These, sie reiche in das Jahr 1132 zurück, als der Erzbischof von Mainz, Albrecht 1. Graf von Saarbrücken, von dem Freien Gottfried von Bruch und dessen Schwiegersohn zehn Hufen Land mit der Investitur der Kirche in Praunheim kaufte und damit die Zehntabgaben der Dörfer Ursel, Heddernheim und Hausen erwarb.
Oder wurde sie 1318 gebaut, als König Ludwig IV aus dem Hause Wittelsbach, 1328 zum Kaiser gekrönt, das Patronatsrecht über die Praunheimer Kirche dem Stift St. Maria und Georg, dem späteren Frankfurter St. Leonhardsstift, schenkte? Unwahrscheinlich, denn die Praunheimer Ritter verfügten bereits seit der Mitte des 12. Jahrhunderts über ein burgähnliches Anwesen, zu dem sicherlich auch die Scheune gehört hat. Erst 1396 - mit der ersten urkundlichen Erwähnung der Praunheimer Mühle - wurde auch die Zehntscheune genannt.
Wie der Name sagt, mussten hier die Bauern ein Zehntel ihrer Ernteerträge - dazu gehörten auch Früchte, Wein und tierische Produkte - abliefern, die dann an das
Stift weitergeleitet wurden. Natürlich erhob mit dem Praunheimer Rittergeschlecht auch die weltliche Obrigkeit Abgaben.
Die" Königszinsen ", wie sie bis zum ausgehenden Mittelalter bezeichnet wurden, mussten am "Tage des heiligen Bischofs Martin" entrichtet werden. Abgabestelle: die alte Gemeindelinde an der Zehntscheune.
Nachdem der Natural-Zehnt nicht mehr "in" war und Geldforderungen in Form von Steuern weichen musste, erlebte die Zehntscheune viele Verwendungszwecke: als Gotteshaus, als Leichenhalle, Gefängnis - die Essensdurchreiche ist noch erkennbar - Lagerraum, Garage und Feuerwehr-Depot. An die Zehntscheune angelehnt erhebt sich der "Junkernhof" , der früher als Stockhof dem Praunheimer Rittergeschlecht. zuletzt Philipp Wolf aus der Klettenberger Linie, gehörte. 1757 vermachte ein Nachfahre, der Freiherr von Riedt, das Anwesen samt Zehntscheune der Gemeinde Praunheim.
Die weitere Entwicklung dieser Immobilie im 18. und dem frühen 19. Jahrhundert bedarf noch einiger Recherchen der Geschichtsabteilung des Bürgervereins
Erwerb des Baudenkmals durch den Bürgerverein
Animiert durch den rasanten Mitgliederzuwachs seit 1984, erwog der Bürgerverein, die Zehntscheune zu erwerben - notfalls zu pachten - um sie für Vereinszwecke zu sanieren und zu nutzen. Am 28. Februar 1985 hieß es in einem diesbezüglichen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung: "Dem bisherigen Mieter der Liegenschaft wurde bereits zum 20. 06. 1985 gekündigt. so dass die Aufnahme konkreter Planungen möglich ist. Das Gebäude ist in ein Haus mit Mehrbereichsnutzung umzubauen. Der Magistrat möge die Saalbau GmbH beauftragen, nach den Plänen des Bürgervereins Praunheim das Gebäude umzubauen." Das las sich gut, doch dümpelte das Projekt bei der Saalbau GmbH vor sich hin, und auch die 1988 damit betraute Frankfurter Aufbau AG brachte keine genehmigungsfähigen Pläne herbei.
Wilfried Windecker forcierte die Vereinsanstrengungen,
die Zehntscheune zu bekommen. Lohn der Beharrlich-
keit: Mit der Saalbau GmbH konnte ein Nutzungsvertrag
der Scheune - auf unbestimmte Zeit und ohne Nutzungs-
entgeld - ab dem 1. November 1990 geschlossen werden.
Danach wurde die Scheune an das Liegenschaftsamt
zurück übertragen. Dieses veranlasste 1992 zwar eine
Dachrinnen-Sanierung, doch da das Dach selbst undicht
war, häuften sich die Fäulnisschäden im Dachstuhl
zunehmend. Mangels weiterer öffentlicher Förderrnittel
bemühte sich der Vereinsvorstand weiterhin um einen
Kaufvertrag. Und der kam am 23. Mai 1996 zustande,
Kaufpreis: 40.000 D-Mark. Gleichzeitig wurden die
anliegenden Parzellen für die Dauer von 60 Jahren in
Erbpacht genommen.
Restaurierung und Sanierung der Zehntscheune
Endlich konnte der Bürgerverein eigenverantwortlich an die dringend notwendige Sanierung der Zehntscheune gehen. In gut zweieinhalb Jahren mit fast 5.000 ehrenamtlichen Helferstunden konnten die Hausanschlüsse für Wasser, Kanal und Elektro gelegt werden. Auswechselung von großen Teilen des Dachstuhls mit Neueindeckung sowie neuen Wandanschlüssen standen ebenso auf der Arbeitsagenda wie die Ausbesserung des Bruchsteinmauerwerks. Auch die inneren Balkenlagen der Zwischenebenen bedurften eines kompletten Austauschs. Dabei wurde die Scheune regelrecht entrümpelt, ein Fliesenboden mit Elektroheizung gelegt, die innere Elektroinstallation erneuert, eine Küchenzeile integriert und am Schluss die Eingangstore eingebaut.
Nachdem ein Toilettencontainer angeschafft worden war, konnte die erste Indoorveranstaltung Silvester 1998/99 - quasi als Generalprobe für die große Milleniums-Party - gefeiert werden. Immer mehr mauserte sich die Zehntscheune vom Geheimtipp zur Attraktion für größere Familienfeste. Das Containerprovisorium für die menschliche Notdurft, aber separat auch für das Lagern von Gläsern, Geschirr und sonstige Festutensilien, beeinträchtigte nicht nur das historische Ensemble, sondern erwies sich auch als unpraktisch bei schlechter Wetterlage. Ein entsprechender Anbau an die Scheune, abgestimmt mit den Behörden - vornehmlich dem Denkmalamt - und der Kirchengemeinde, hätte als Auftragsvolumen insgesamt umgerechnet 350.000 Euro verschlungen. Also hieß es erneut: Kassensturz machen, Ärmel hochkrempeln. das Projekt in mehrere Bauabschnitte unterteilen und loslegen. Im März 2003 begannen die Arbeiten an einem Foyer, mit unbedingt notwendiger Toilettenanlage. Mitte Juni jenes Jahres konnte diese Baumaßnahme für zirka 90.000 Euro, unter großem freiwilligen Helfer-Einsatz, bereits abgeschlossen werden.
Das Pflastern des Hofbereichs der Zehntscheune - entsprechend den Wünschen der Denkmalpflege - folgte "auf dem Fuße". In den Folgejahren standen die Interieur-Komplettierung vom Küchenausbau bis zur aufwendigen Beschallungsanlage sowie die Archiveinrichtung auf dem Plan. Der Ankauf des künstlerischen Nachlasses des einheimischen Malers Wilhelm, genannt Willi, Petri im Jahre 2010 erforderte eine behutsame Archivierung. Immerhin waren knapp 300 der nahezu 700 Bilder, allesamt EDV- erfasst, noch in den Originalrahmen.
Neben dem Zehntscheunenfest, das sich im Jubiläumsjahr des Bürgervereins bereits zum 27. Male jährt, ist dieses Haus zu einem beliebten Treffpunkt für Veranstaltungen aller Art geworden. Konzerte, Liederabende, Lesungen und regelmäßige Ausstellungen gehören ebenso zu dem breitgefächerten kulturellen Angebot wie das Transparentmachen der Praunheimer Historie.
Manfred Kühn, Mitglied des Vereinsvorstandes, leitet die "Geschichtsabteilung" und das damit verbundene Archiv. Schon 1987 hatte diese Geschichtsabteilung von sich reden gemacht, als sie das verloren geglaubte Wappen von Praunheim wieder zutage förderte. Mit der Zehntscheune haben die in Praunheim gefundenen und von den Bürgern zur Verfügung gestellten Sammlungen, Leihgaben und Schenkungen einen zentralen Ort für die entsprechenden Ausstellungen gefunden.
Zu den archivierten Bildern gehören natürlich auch Werke von Karl Luckhardt.
Auf diese Weise kann die Geschichte von Praunheim und seiner näheren Umgebung dargestellt und den Bürgern vermittelt werden.